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Americana                       

Als ich in Dallas für die Passkontrollen und die Sicherheitschecks anstand, tat eine ältere Dame vor mir ihre Erstaunung kund und man hörte; „Funny, do I really need to take my shoes off and put them on the X-ray ?“ worauf prompt die Antwort kam; „This is Texas, welcome to the USA“. Die Dame gehorchte und ich tat das ebenfalls, und ging meinem Urlaubsort dann halt in stinkenden Socken entgegen, die feuchte Flecken auf dem Steinplattenboden hinterliessen. Ob ich deswegen das Anschlussflugzeug verpasste, oder wegen irgendwelchen anderen Trödeleien weiss ich nicht. Wenigstens war mir klar, dass ich dort nicht bleiben wollte, bekam dann auch ein Anschlussticket für den nächsten Flieger und sass mit meinem Bruder zwei Stunden lang vor der Fensterscheibe, unter uns Flugzeuge, Fluglotsen und was auch immer und rundherum die totale Plattheit, keinen Hügel, und nicht mal Bodenwellen. Irgendwie kamen wir dann doch an, spät in der Nacht war es, und ich so müde, dass ich nicht mal das Haus ansah, in welchem ich Quartier bezog. Da war ich also in Amerika, dem bösen Land mit den dummen Leuten und dem wahnsinnigen Präsidenten, wo jeder zweite mehr isst als schläft, wo man ägyptisch aussehende Thronstühle für 644.99$ in einem Kaufhauskatalog bestellen kann, die mit der schriftlichen Untermalung „to impress your friends and the egyptophilian guests in your home“ angepriesen sind. Da doch lieber das „original Lord of the Rings- Sword of Gandalf“ dass auf der nächsten Seite desselben Kataloges für 187.99$ zu erstehen war, oder eher das Feenamulett, oder Frodos Dolch oder gar den Grill „Barbecuemaster 2000“ für 600 und irgendwas oder die x-large Büstenhalter, die im gleichen Katalog angeboten waren. Ich verzichtete dann auf eine so exotische Investition und spazierte am darauffolgenden Tag durch Chippewa Falls, ein verschlafenes Städtchen, welches wegen seinem Bier und dem Titanic-Film, wo es durch L. di Caprio erwähnt wird, auch noch in 50 Meilen Entfernung ein Begriff ist. Auf meinem Spaziergang sah ich sonderbares; keine „proud to be an American“ T-Shirts, keine US Flaggen an den Autos, keine überdicken Leute, keine Überwachungskameras, keine Bushportraits, nichts was meinen Befürchtungen eines totalitaristischen Überwachungsstaates mit hirntoter Bevölkerung entsprochen hätte. Darauf war ich nicht vorbereitet, man sah nirgends etwas von einem Weltpolizistengehabe, fast keine Rednecks (amerikanische Version der SVP-Wähler), keine offen auf der Strasse herumgetragenen Schiessgewehre, und eine FBI-Filiale wo man den verdächtigen Nachbarn anzeigen könnte gab es auch nicht. Sprich, die Welt war in Ordnung dort, ich sah sogar einige Rastaköpfe und später zwei waschechte Junghippies, die barfuss aus dem Auto stiegen und Grateful Dead T-Shirts und flatternde Batikröcke trugen.

Wenn man aber die Tischsitten und -gepflogenheiten anschaut, wird es einem als Europäer mulmig zu Mute. Hat dort jemand das Essen auf seinem Teller, neigt er seinen Kopf, isst, egal ob er der einzige ist, schmeisst den Plastikteller in den Abfall und setzt sich an den Fernseher im Wohnzimmer, nimmt sich vorher noch eine Büchse Bier aus dem Kühler und schaut das Baseballspiel weiter, welches während des ganzen Essens natürlich auch neben dem Esstisch lief. Dass man  zum Essen ein Glas Rosé und ein Glas Milch gleichzeitig trinken kann, geschweige denn überhaupt auf so eine Idee kommen kann, erstaunte mich dann über alle Massen. Immerhin wurde ab und an mal angestossen und am Tisch waren wir Schweizer die einzigen die rülpsten und vor den Kindern die berüchtigten Wörter „fucking“, „kind of shit“, „goddamn“, „pot“ und so weiter aussprachen.

Als ich an einer Tankstelle Zigaretten kaufen wollte, wurde ich beim Hereintreten von der Verkäuferin mit „Hi, how you’re doin?“ angesprochen, worauf ich sie mit grossen Augen ansah und ein „ähm, well“ murmelte, was sie aber nicht weiter interessierte. Als ich dann meine „driving licenses“ zeigte (es war ein Schild zu lesen mit der Aufschrift „people who appear to be younger than 30 years must show a license to buy tobacco“), las sie meinen Herkunftsort und fragte mich sogleich, wie lange ich denn hier bin, was ich hier mache und so, ich freute mich schon auf einen kleinen Flirt, musste aber feststellen dass das eben die übliche Smalltalkversion der Amis war. Dasselbe passierte mir in einer Bank, als ich warten musste, da Abklärungen gemacht wurden und mich eine Schalterangestellte in ein freundliches Gespräch verwickelte das zehn Minuten dauerte. Hat man so etwas hier schon gesehen? Oder man wird jemandem den man noch nie vorher gesehen hat, vorgestellt und als man sich zehn Minuten später wieder auf den Weg macht, gibt es herzliche Umarmungen und man verlässt einander als „very good friends“. Daneben sind selbst die freundlichsten Schweizer kalt und sauer wie abgelaufene Essiggurken.

Die beiden Wochen waren dann schnell vorbei, und als ich in NY durch die Sicherheitschecks ging, musste ich meinen Hut in den Röntgenapparat legen und konnte dafür meine Schuhe anbehalten.