<aktuelle Kolumne

 

Alltagsgefahren

In Zürich wurden wieder mal die Restaurants getestet, über 4000 Lokale, die

eine Friteuse besitzen, mussten sich einem Acrylamid-Test unterziehen, weil

man im letzten Jahr in einer Studie herausgefunden hat, dass Acrylamid beim

Braten, Frittieren etc. in hohen Mengen produziert wird und stark

krebserregend ist. Seitenlang wurde damals die Panikmache ausgewalzt, es

wurden weniger Chips und weniger French resp. Freedom Fries gegessen, als

Reaktion gegen die gravierenden Missstände in den Restaurants vermehrt

Kontrollen durchgeführt, Appelle des Gastro-Gewerbeverbandes für sauberere

Friteusen auf Seite 3 im „20 Minuten“ rezitiert und man konnte wieder mal

ein Theater über Grenzwerte und Stichworte wie „alle 3 Wochen Ölwechsel“

täglich mit der Morgenlektüre geniessen.

Drehen wir das Rad ein bisschen zurück und schauen mal was sich im

Gedächtnis während den letzten sagen wir 10 Jahren so abgespeichert hat..

Schon mal was von Schweinepest gehört? War Mitte der 90er ein Thema,

Rindfleischproduzenten verdienten sich eine goldene Nase,

Konsumentenschützer bimmelten munter an der Alarmglocke, kamen dafür in den

Medien, und erhielten Genugtuung nach dem Motto; „Ha, wir haben’s schon

immer gewusst!“. Bald darauf kam dann eine Studie wegen krebserregenden

Tomaten, doch schlug das krebsrote Gemüse keine hohen Wellen und es wurde

munter weitergegessen, wie das bei Tomaten seit ihrer Einführung vor ein

paar hundert Jahren gang und gäbe ist, die Peperoniproduzenten bekamen ihre

Goldnase nicht und das ganze war ziemlich schnell vergessen, nicht nur, da

den Tomaten in anderen Studien eher gegenteilige Fähigkeiten attestiert

wurden.

Der Hammer kam dann vor ein paar Jahren; BSE, Rinderwahnsinn,

Creuzfeldt-Jakob-Disease, Rindfleisch-Importstopp, Preiszerfall um 20%,

Preisanstieg bei Schweinefleisch um das gleiche, Reportagen über

rinderwahnsinnige Menschen (sie hatten in England so einen gefunden, dessen

Lieblingsspeise Hamburger war), bald darauf Rinderwahn in der Schweiz, die

Meldung es habe eine CJD Erkrankung gegeben in einem Altersheim, darauf

folgte unendliches Theoriegefachsimple auf allen Ebenen und Breiten, und

nach einem halben Jahr, als man immer noch niemanden kannte, der an diesem

Zeugs erkrankte, fing man wieder mit Roastbeef-Sandwichs, Tatarsteaks und

Rindsgeschnetzeltem an. Es war ja auch noch in der Zeit, als eine Diskussion

um zu hohe Kupferwerte im Kalbfleisch losging und plötzlich genveränderte

Soja-Nahrungsmittel im Umlauf waren. So Anfangs 2001 war dann endlich

ziemliche Ruhe, keine Lebensmittelskandale mehr und keinerlei Veränderung

bei den Essgewohnheiten, man konnte beruhigt feststellen, dass man weder die

Schweinepest, die man eh nicht bekommen kann, noch Tomatenröte oder Wahnsinn

abkriegte und den Neugeborenen keine Sojasprossen auf dem Kopf wuchsen und

die Welt war, zumindest lebensmitteltechnisch wieder in Ordnung. Zudem hatte

das ganzen einen nicht zu vernachlässigenden wirtschaftlichen Vorteil,

nämlich den Durchbruch einer während der grossen Waldsterbehochblüte (das

war etwa 1985) aufgekommenen Bio-Branche. Denn wer Bio ass oder isst, kann

sich beruhigt ins Gewissen reden, dass Er oder Sie sicher keine Gefahr mehr

auf dem Teller hat. Und so ist fast jeder fünfte CH- Bauer bei

Coop-Naturaplan oder Migros-Bioline unter Vertrag, man will sich ja keine

Schnäppchen durch die Lappen gehen lassen. Rückblickend kann man

feststellen, dass man gesund geblieben ist, der Nachbar und dessen Bekannte

auch und wir alle wieder Fleisch, Tomaten, und Pommes geniessen und bei

einer verkohlten Bratwurst das Schwarze abkratzen. Nicht wegen

Bratwurstacrylamid, sondern des besseren Geschmackes wegen.

Nils

 

 

 

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