One of these days
nia.Gestern, bei der Arbeit, ein Riesenstress, mitten im
Hin und Herseckeln: "Siiie, wo bliibt miin Salat?",
"nur en chliine Moment", renne in die Küche, schütte
zu viel Sauce über den Nüsslisalat, wieder hinaus, und
stelle ihn der leicht ausgetrockneten Mitfünfzigerin
vor die Nase "und de vo minere Kollegin?!?!?" "ja,
chunnt grad, chliine Moment" hin, her, "en guete".
Zigarette? -nichts da, dafür Messer, Gabeln, Gläser,
Eintippen, Kaffeesatz klopfen, "macht 21 Franke
genau", Suppe bringen, Aschenbecher wechseln, DJ Bobo
mit "Visions" im Radio, "Adieu, viele dank!", Tisch
reinigen, Schöggeli, Zucker, Löffeli, Rahm, "macht
3.30"..
Zwei Uhr, Zigarette, mein Essen im Steamer, wie
hundert Kilo abnehmen in zwei Minuten, endlich
absitzen, Ace of Base im Radio, nachher Backstreet
Boys, Zeitung, Blick. Haha! Schlagzeile: XY
versehentlich erschossen! Im dritten Satz: "..am
16.September 2000, im Morgengrauen war XY nichts
ahnend am joggen, als er hinterhältig etc. etc..." Ja,
damals im Jahre 2000, Tagesthema, mindestens,
vielleicht auch Wochenthema, dann etwa Seite 4:
Öltanker vor spanischer Küste, ohne Bildli, 50 Wörter,
10 Seiten später Randnotiz, Couchepin empfängt
kasachischen Präsidenten Nasarbajew.. im Tagesanzeiger
dasgleiche als Hauptschlagzeile.
Halb sechs, Heimweg, Postauto verpasst, Bahnhof
sitzen, Zigi kratzt im Hals, Billetautomat, lösen,
2.60, gültig bis 19Uhr00, nebenan vollgeschminkte,
wasserstoffblondierte Knappvierzigerin, "hihihi, uu
ja, isch luschtig gsi", nach zwei Ausfallschritten "ja
genau, hihihi" , Zug hat verspätung, noch 3 Minuten
nebenan stehen und zuhören müssen. Ankunft, endlich,
Buch aus der Tasche, nebenan wieder die vorherige mit
ihrer begleiterin "ja ja und äh, ich nim dänn amigs
en Drink, weisch meischtens en whisky Cola", nach
Horgen, im Postauto wieder die Frau die erst vor einer
Woche auf der hintersten Bank Platz nahm, die sonst
leer war und ein "tanke schöhn, tanke schöhn" mir an
den Rücken sprach, ein paar wenige Sekunden später
eine Dame mit schwarzen Augenbrauen, die vor etwa zwei
Wochen einen beinahe Schrei- und Heulkampf an
demselben Ort bekam,weil sie wiederholt gefragt wurde
"was mached sie uf dem Bus??". Zum Glück sind F.S. und
L.B. im Abteil, ablenken, hören was die anderen so
machen, Kollege Ö. steigt ein, kurze Begrüssung um
dann stumm mit gelbem Leuchtstift seine Unterlagen zu
markieren, zuckt nur kurz auf als das Wort UBS fällt,
dann, als L.B. und ich aussteigen, ein kurzes
Erwachen, "he, en schöne zäme" abermalige Versenkung.
Heimkehr, vor dem Nachtessen Tagesschau, was wohl?
Davos versus Oltener Bündnis, "mir chönnd die
Kontrolle nöd akzeptiere", recht so, zeigts den
Säcken! Danach Saddam, George, Rumsfeld und Tony
Unpopublair, nochmals Couchepin und Nasarbajew,
Geldwäscherei, Disziplin gegen Anarchie, Militärmusik,
BMW's, Panzergrönies, Telephon, Mutter von der
Freundin... "aber nöd zlang, weisch sie mues is
Bett.." "Jaja", kurze Pause, "aso, ich gib der sie
schnell, isch guet?" "JA!", Telephon angrinsen.. Eine
Stunde später, Kolumne schreiben, kommt gut, bin
praktisch schon fertig, Tzängng, schwarzer Bildschirm,
Strom abgestellt, kurzes Austoben. Ruhe kehrt wieder
ein, Conrad Ferdinand Meyer lesen, im Nachwort:
"letzte Geschichte vor dem Nervenzusammenbruch im
Jahre 1893.." Ahh, wie Nietzsche, der am Ende mit "der
Gekreuzigte" oder "Dionysos" unterzeichnete. Am
Schluss Gutenachtzigi am offenen Fenster und ein
frohes Gefühl zum Einschlafen und die Vorfreude auf
Tage ohne "aber nöd z'lang, weisch sie mues is Bett",
ohne "siie, wo bliibt min salat?" und ohne Whisky
Cola. Prost!
(P.S. Zeitungen und Aussagen oder Verhalten genannter
personen wurde nicht recherchiert)
© by
culunder/nils
2003